Damaskus, Medien, Verantwortung
Feature
Dieser Artikel wurde für die Ansicht auf grösseren Computerbildschirmen oder zumindest auf Tablets optimiert.
Sie können ihn auch auf Ihrem Smartphone lesen — allerdings ist das Erlebnis aufgrund des kleinen Bildschirms eingeschränkt.
Es ist Februar 2014: Ich blättere durch meine Tageszeitung und entdecke einen längeren Artikel über Damaskus! Erinnerungen werden wach: Ich verschlinge ihn.
Vier Jahre vorher war ich auf einer längeren Reise durch die arabische Welt. Auf dem Rückweg hatte ich die Gelegenheit, die syrische Hauptstadt ein wenig kennenzulernen. Ich war fasziniert von der uralten, lebendigen Metropole. Sie war damals noch friedlich — soweit ich das an der Oberfläche sehen konnte. Für tiefere Einblicke hatte es nicht gereicht, denn ich hatte lediglich ein Transitvisum für die Fahrt durch Syrien bekommen. Das gewährte mir drei Tage für die Reise von Jordanien bis in die Türkei. Ich schummelte etwas und verbrachte meine drei Tage in dieser alten Stadt, von der ich begeistert war. Wie ich gehofft hatte, kümmerte meine verspätete Ausreise die Grenzbeamten nicht.
Damaskus‘ Reiz hatte mich damals gepackt. Natürlich würde ich wiederkommen! Nie hätte ich gedacht, dass es für mehr als ein Jahrzehnt nicht möglich sein würde, dorthin zurückzukehren.
Dass das syrische Regime korrupt ist, politische Gegner wegsperrt und foltert, das war schon damals bekannt und belegt. Der verordnete Personenkult um den Präsidenten war natürlich auch 2010 allgegenwärtig. Die sichtbare — teils arrogante — Präsenz von Uniformierten im Alltag liess mich ahnen, auf welche Weise das Regime bereits vor dem Krieg seine Herrschaft sicherte.
Ich fiel natürlich auf mit westlicher Kleidung und meiner Kamera. Über die Präsenz der naturgemäss wenig sichtbaren Geheimdienste war ich mir im Klaren.
Ich verhielt mich vorsichtig.
Im Jahr 2014, vier Jahre nach meinem Aufenthalt und drei Jahre nach dem Beginn des Kriegs in Syrien, schafften es furchtbaren Meldungen aus Syrien bei uns nur noch selten auf die Titelseiten. Über den Arabischen Frühling wurde anfangs viel berichtet. Als das Chaos in Syrien losbrach, waren die Medien ebenfalls präsent. Aber dann? Was hatte ich gehört und gelesen über diese Stadt und das Land, nachdem das Grauen alltäglich geworden war?
Es war natürlich auch dem Faktor der Gewöhnung geschuldet, dass sich die Berichte aus dem Land im Laufe der Zeit auf meist nur kurze Nachrichten reduzierten. Gewalt und Zerstörung, Krieg und Tod — das sind irgendwann keine Meldungen mehr, die wir auf den Titelseiten finden, wenn sie zum Tagesgeschäft gehören.
Da kam dieser Artikel des Syrers Khaled Khalifa gerade richtig. Aber: Konnte ich ihm vertrauen?
„Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit“ — ein wahres Wort, gleichgültig, von wem dieses Zitat nun tatsächlich stammt. Dass Kriegsnachrichten häufig nicht viel mit dem tatsächlichen Geschehen zu tun haben, wissen wir nicht erst seit der Nazi-Propaganda.
Der Damaskus-Artikel war ein Bericht aus einem Krieg. War er aber auch wahr?
Ein grosser Bogen
Damaskus stand vor der Haustür
2014 begann ich mit der Arbeit an diesem Artikel. Ich kam nicht weit. Das Grauen, die Verzweiflung der Menschen, all das Elend war keine Motivation, mich mit dem Schicksal dieser Stadt und der Menschen zu beschäftigen. Irgendwann arbeitete ich einfach nicht mehr weiter an meinem Text. Sieben Jahre später hatte ich die Bruchstücke meiner Arbeit fast vergessen. Vielleicht auch nur verdrängt?
Was ist der Hintergrund meiner Beschäftigung mit der Entwicklung in Syrien? Waren es 2010 noch die Eindrücke einer intensiven, halbjährigen Reise durch die arabische Welt, die mein Interesse am Geschehen in dieser Region befeuerten, so ergab sich im Laufe der Zeit ein neuer, wesentlich präsenterer Fokus:
Ich hatte mich 2015/16 in der Flüchtlingshilfe engagiert und intensiven Kontakt zu Syrern. Die Menschen, die ich sonst als anonyme Personen in Schlauchbooten auf dem Mittelmeer in 30-Sekunden-Beiträgen in der Tagesschau sah, sassen mir plötzlich gegenüber.
In einem Gespräch — einem sehr persönlichen Moment — zeigte mir ein junger Syrer Bilder seiner Schlauchbootüberfahrt über das Mittelmeer. Auf kleinen Fotos konnte ich seine Frau und sein kleines Kind in einem Schlauchboot erkennen. Auf hoher See. In einer Nussschale.
Es war erschütternd zu sehen, welchem Risiko sich diese Menschen ausgesetzt hatten, um der Zerstörung, der Gewalt und dem Sterben in ihrem Land zu entfliehen. Wollte ich das überhaupt sehen?
Damaskus war angekommen in unserer Gesellschaft. Manche wollten das nicht wahrhaben und schauten lieber weg — beteiligten sich aber trotzdem an den Diskussionen. Dabei meine ich noch nicht einmal den erschreckend weit verbreiteten Hass auf Ausländer oder vermeintlich Fremde.
Die Schulleiterin einer Nachbargemeinde, die offensichtlich völlig ahnungslos war hinsichtlich der Situation der syrischen Flüchtlinge, die plötzlich in ihrer Gemeinde lebten, war ein solches, erschreckendes Beispiel (siehe hellblauer Kasten — „Exkurs: Syrischer Schulbesuch“).
Bazar in Damaskus (2010)
Exkurs: Syrischer Schulbesuch
Juni 2016, ich stehe im Sekretariat einer Schule in unserer Region. Es geht um die Aufnahme eines jungen Flüchtlings in den schulischen Lehrbetrieb. Der Jugendliche war bereits einige Zeit in Deutschland, hatte hier in Hessen aber noch keine Schule besucht. Warum das so ist bleibt unklar. Es muss sich jemand kümmern. Deshalb bin ich dabei.
Die Schulleiterin kommt in den Raum. Sie ist ungehalten, fast aggressiv. Es fallen die Sätze: „Die Flüchtlinge können sich alle Mobiltelefone leisten. Meine Tochter kann das nicht.“
Dass diese Menschen in Syrien ein Leben hatten, ist ihr offenbar nicht bewusst. Dass dort Mobiltelefone ebenso zum Alltag gehörten wie Cafébesuche und Musikveranstaltungen — wie kann man davon als Person mit gesellschaftlicher Verantwortung keine Kenntnis haben?
Verständnis für die Situation der Flüchtlinge? Nicht vorhanden bei der Schulleiterin. Mitgefühl für die Syrer, die vor ihr stehen? Fehlanzeige. Statt dessen zeigte sie unverhohlenen Neid auf die Schwächsten.
Die verachtenswerte, ja disqualifizierende Aussage der Schulleiterin führte übrigens zu keinen Konsequenzen. Die Schulbehörde tolerierte das Verhalten. Die Menschen in der Gemeinde ebenfalls.
Lügen wie gedruckt!?
Was kann man glauben?
Vielleicht ist das Wegschauen aber auch eine verständliche Reaktion auf eine mediale Überforderung? Der sehr präsenten Frage, ob man der Berichterstattung noch glauben kann, kann man heute nicht mehr aus dem Weg gehen. Die sogenannten Mainstream-Medien werden von einigen Gruppen in unserer Gesellschaft systematisch diskreditiert. Das schafft zumindest Verunsicherung.
Die oben erwähnte Schulleiterin hatte das Problem des Vertrauens in Meldungen der Medien nicht: Sie hatte einfach gar keine Kenntnisse über das, was nun mitten in unserer Gesellschaft passierte. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass jemand in einer solchen Position, jemand mit dieser Verantwortung, offensichtlich keine Standard-Medien benutzt, um sich zu informieren.
Die Einstellung der Schulleiterin ist nach meiner Wahrnehmung allerdings kein Standard. Viele Menschen entblössen ihre Unkenntnis nicht auf so deutliche Art wie diese Schulleiterin. Sie geben vielmehr vor, informiert zu sein. Gut informiert sogar. Sie behaupten teilweise, die Darstellungen in den Medien differenziert beurteilen zu können — oder auch die Nicht-Darstellung.
Im Rahmen von Querdenker-Demonstrationen wurden „ganz normale“ Menschen befragt, deren ähnliche Aussagen in etwa so klangen: „Nie berichten die Medien darüber, was wirklich passiert.“ Diese Ansicht ist weiter verbreitet, als ich es glauben mochte.
Einen Atemzug später werden dann gerne „Fakten“ aus vermeintlich seriösen Medien nachgeschoben, die nichts mit dem zu tun haben, was mein Wissensstand ist. Schnell findet man sich dann im Bereich von Mythen und Absurditäten, im Umfeld der Verschwörungserzähler wieder.
Kurt
Ich habe einen Bekannten — nennen wir ihn hier einmal Kurt — der vermutet nicht nur, nein, er weiss es ganz genau, dass da tausende Agenten in den Redaktionen sitzen — alle „gesteuert aus Berlin“. Dieses Agentennetz entscheidet seiner unumstösslichen Ansicht nach, was die Medien berichten dürfen und was nicht. Kurt ist der vollen Überzeugung, dass auf diese Weise bestimmte Themen systematisch unterdrückt würden.
Nun ist es in der Regel ein Leichtes, so einem Wirrkopf zu belegen, dass es haufenweise zu jedem Thema Berichte in den Medien gibt — also auch zu denen, über die angeblich gar nicht berichtet werden darf. Das folgende Erstaunen wird mehr oder weniger gut überspielt — und es folgt der unausweichliche nächste Schritt: „Ja, vielleicht gibt es doch ab und zu mal einen Bericht — aber natürlich lügen die Medien wie gedruckt! Nichts davon ist wahr.“
Ansonsten ist Kurt übrigens ein sehr netter Zeitgenosse.
Da sitze ich nun und denke: Wie kann es dazu kommen, dass unsere Medien bei manchen einen so schlechten Ruf haben? Wie kann es sein, dass Menschen ohne den Willen, diese Medien wahrzunehmen, sie als unglaubwürdig verurteilen?
Zurück nach Damaskus
Ein Text aus dem Krieg
Nun hatte ich diesen Damaskus-Artikel vor mir. Er berichtete nicht nur über eine Stadt im Krieg. Er versuchte auch, die Lebenssituation der Menschen zu erklären. Ich war bei der Lektüre für eine Weile versunken in diese Stadt und hatte das Gefühl, etwas mehr zu verstehen.
Aber auch wenn man den Text nicht als ergreifend empfinden sollte, so muss man ihm doch zumindest eines zugestehen: Er ermöglicht Einsichten in das Empfinden des Autors und eröffnet neue Perspektiven. All das half mir, mir ein eigenes Bild zu machen. So gut es eben ging: Ich war ja nicht selbst dabei.
Ja, ich war nicht selbst dabei — könnte es also sein, dass der Autor Khaled Khalifa gar nicht die tatsächliche Situation in Damaskus beschrieben hat? Ich stelle mir meinen gerade erwähnten Bekannten vor: Kurt hätte sicher keine Probleme, den Bericht Khalifas als erlogen abzutun.
Warum reagiere ich anders? Nun, ich kannte die Stadt ein wenig. Es war 2011 sicher ein anderes Damaskus, allerdings hatte ich die Bilder meiner Streifzüge und der dortigen Lebensumstände im Kopf. Völlig verloren konnte der Charakter der Stadt nicht sein.
Ich war 2014 nicht selbst dabei, als Khaled Khalifa seine Erlebnisse niederschrieb. Etwas sagte mir jedoch, dass dieser Bericht authentisch war, denn der Autor beschreibt ein Damaskus, das mir bekannt vorkommt. Ich liess mich auf den Artikel ein, nahm mir Zeit für ihn, wog ab — und heraus kam die Einschätzung, dass ich diesem Text vertrauen konnte.
Schauen wir uns einen Ausschnitt aus Khalifas Bericht an:
Der Text von Khaled Khalifa
online auf taz.de
In der tageszeitung wurde eine gekürzte Version des Texts von Khaled Khalifa veröffentlicht.
online auf faustkultur.de
Die vollständige Version ist auf faustkultur.de zu finden.
Zwischenruf?
Khaled Khalifa ist am 30. September 2023 in Damaskus verstorben.
Damaskus, Strassenszenen, 2010
Damaskus im Jahr 2014
„Nahezu täglich lege ich die gleiche Strecke zurück, ich gehe ins gleiche Café und in die gleiche Bar. Wir haben uns daran gewöhnt, mit dem zu leben, was noch da ist. Ich treffe mich mit den Freunden, die noch da sind und für deren Anzahl die Finger einer Hand ausreichen. Alle sind fort, alles ist mir fremd geworden, die Farben der Stadt, ihre Gerüche, die Straßen, Gebäude und die wenigen Parks. Auf den Gesichtern der Menschen lässt sich die Angst vor der Gegenwart und der Zukunft ablesen. Es ist eine andere Angst als jene, die die Syrer mit dem ersten Schrei nach Freiheit begraben haben.“
Khaled Khalifa, Zitat aus seinem hier behandelten Text
Ein erfundener Bericht?
Der Text zeigt einen Alltag in Damaskus, den wir uns kaum vorzustellen wagen, aus einer sehr persönlichen Sicht. Liest man den ganzen Text, so erfährt man von den täglichen Bombardements, die damals bereits seit eineinhalb Jahren andauerten.
Man erfährt von der Absurdität eines pseudo-normalen Lebens, das noch Musik kennt, während Soldaten an Checkpoints die Stadt kontrollieren, sich dort ein Stau bildet. Man spürt förmlich die mögliche Falle in einer Stadt, die jederzeit bombardiert werden kann. Khaled Khalifa begegnet dieser Falle mit Lachen. Keinem fröhlichen wohl …
Kürze — der Standard
Sind Zweifel erlaubt?
Die Frage bleibt: Sind Zweifel erlaubt? Ja, natürlich! Zweifel an einer Berichterstattung sind nicht nur grundsätzlich legitim, sondern auch notwendig. Das lehren uns nicht nur viele schlampig recherchierte Artikel oder schlicht falsche Darstellung in Boulevardblätter, zu denen ich die Bild-Zeitung zähle, die die Einstufung als seriöses Nachrichtenmedium sicher nicht verdient. Bei der Lektüre dieser Blätter wären keine Zweifel am Wahrheitsgehalt fahrlässig.
Aber auch eher seriöse Medien sind vor falschen Berichten nicht gefeit: Die Skandale um die Hitler-Tagebücher und der Fall Relotius sind zwei Beispiele, an die Sie sich bestimmt noch erinnern.
Man war eben in aller Regel nicht selbst dabei. Aber ist das nicht meistens so? Der Sturm auf den Reichstag, die Anschläge von Hanau — wer von uns war vor Ort? Ich nicht.
Es gibt viele Anhaltspunkte, ob man einem Bericht vertrauen kann oder nicht. Keine Anhaltspunkte sind es jedoch, Medien generell als „Lügenpresse“ zu verunglimpfen oder dieses unsägliche „darüber berichten sie nie“ zu verbreiten. Solche Einschätzungen sind in der Regel unbelegt, verkürzt und häufig frei erfunden. Genau das jedoch erlebe ich in Gesprächen und Aussagen der Lügenpresse-Fraktion immer wieder.
Verkürzt — damit bin ich bei einem der Kernpunkte unserer heutigen Kommunikation angekommen: Kürze ist im Laufe der Jahre eine immer wichtigere Währung in der Medienlandschaft geworden. Kürze prägt unsere Kommunikation. Und Kürze ist alles, womit diejenigen, die „Lügenpresse“ brüllen, aufwarten können. Dabei bleibt vieles auf der Strecke: Da es keine Argumente gibt, steht die Verkürzung auf eine simple Aussage im Mittelpunkt. Die Brüller erwarten wohl, dass wir das hinnehmen.
Der Ausweg: Hauptsache kurz!
Sich Zeit zu nehmen — das ist heute nicht einfach, weder in unserer Medienlandschaft, noch in unserem beruflichen oder privaten Umfeld. Mein Eindruck ist, dass wir uns in diesen Zeiten viel zu oft nur oberflächlich auf einen Sachverhalt einlassen. Oberflächlich bedeutet meist auch: kurz.
Dabei müssen wir verstehen: „Kurz“ ist heute für viele Menschen wichtig, denn „kurz“ wird als Ausweg wahrgenommen. In einer Welt, in der wir mit Nachrichten überflutet werden, da bleibt wenig Zeit für ein Innehalten und Nachdenken, erst recht keine für eigene Recherche und somit auch keine Zeit für sorgfältiges Abwägen.
Im bequemsten Fall liefert ein Nachrichtenmedium zusammen zur kurzen Meldung gleich noch eine Meinung, die man übernehmen kann. Der Begriff „Lügenpresse“ ist ein gutes Beispiel: Es drückt eine Meinung aus, die man haben darf, der aber eine Begründung fehlt.
Wollte man dieses oft verächtlich gebrüllte Schlagwort „Lügenpresse“ irgendwie belegen, dann wäre die Schwäche dieser undifferenzierten Aussage schnell sichtbar und man wäre mitten in einer Diskussion — beides soll aber von den Protagonisten der „Lügenpresse“-Behauptung sehr offensichtlich vermieden werden.
Mit Trump hatte diese Methode Einzug gehalten in die oberste Etage der Politik. Bei seinen Beschimpfungen von Medienvertretern, sie seien „Fake News“, handelte es sich um verkürzte Herabsetzungen von JournalistInnen, die ihm ein Dorn im Auge waren.
Inhaltliche Auseinandersetzungen mit renommierten Zeitungen wie der New York Times oder der Washington Post konnte sich ein Trump nicht leisten. Seine Methode der Diskreditierung — kurz und unbelegt — war und ist eine wirksame Waffe. Zumindest für seine AnhängerInnen, die ihm blind glauben.
Es wird also ganz gezielt verkürzt, vielfach, weil man es sich inhaltlich nicht erlauben kann, einem Sachverhalt den angemessenen Raum zu gewähren: Zu schnell fiele das eigene Lügengebäude in sich zusammen.
Diese Kürze hat ihren festen Platz im Alltag vieler:
Ein Tweet hat maximal 280 Zeichen, Medien wie die Bild bemühen sich darum, „Sachverhalte mit wenigen Worten einfach [zu] vermitteln“². Als Höhepunkt des Vertriebs-Handwerks gilt der sogenannte „Elevator Pitch“: In aller Kürze soll ein Angebot schmackhaft gemacht werden. Denn lang geht nicht, so meinen viele Vertriebs-Strategen. Keine Zeit, keine Zeit …
Wie ginge es anders?
Lang, seriös, richtig?
Auch bei langen und seriös anmutenden Artikeln, die einen gut recherchierten Eindruck erwecken und in renommierten Medien erscheinen, muss die Frage gestellt werden: Wer kann uns versichern, dass es tatsächlich „so ist“? Was können wir tun, um auf der sicheren Seite zu sein?
Ich erinnere mich noch gut an die lange Berichterstattung zu den Hitler-Tagebüchern im Stern. Umfangreich — und frei erfunden. Der Fall Relotius³ ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch normalerweise seriöse, gut recherchierende Medien nicht gegen Fehler und gar Betrug gefeit sind.
So wenig uns das gefallen mag: Wir unterliegen grundsätzlich immer der Gefahr, dass unsere Informationen nur oberflächlich sind, vielleicht auch nicht exakt die Realität abbilden — im schlimmsten Fall einfach erfunden wurden.
Auch bei so mancher Meldung auf tagesschau.de entdecke ich Unklarheiten, die mit einer guten journalistischen Herangehensweise nicht vereinbar sind. Aus solchen Dingen müssen wir lernen.
Wir müssen mit Informationen vorsichtig umgehen. Was manche allerdings als Misstrauen bezeichnen, würde ich eher als einen gesunden Zweifel einstufen.
Dieser Zweifel kann aber ein wichtiger erster Schritt zu einer besseren Wahrnehmung und Einordnung journalistischer Arbeit sein.
Wir selbst sind die Antwort!
Wenn wir es schaffen, mit diesem Zweifel gut umzugehen, also abzuwägen zwischen der Wahrscheinlichkeit eines journalistischen Betrugs und dem Vertrauen in unsere medialen Quellen, dann haben wir einen wichtigen Schritt getan.
Letztlich müssen wir lernen, unsere Fähigkeiten einzusetzen — und wenn wir sie nicht haben, dann müssen wir sie entwickeln. Zu diesen Fähigkeiten gehören neben einer rationalen Herangehensweise an ein Thema auch Erfahrung, Offenheit und Bauchgefühl. Aus diesem Mix kann man irgendwann eine Quelle ganz gut einschätzen.
Nun würde das auch mein verwörungsgläubiger Bekannter Kurt von sich behaupten, der in diesem Artikel als Referenz herhalten muss. Zu Recht? Nein, bestimmt nicht zu Recht, denn was ihm fehlt, ist eine selbstkritische Haltung. Er hat keine Zweifel an seiner Einschätzung. Sein Urteil steht fest — belastbare Belege dafür nennt er nicht.
Die eigene Einschätzung immer wieder zu überprüfen — und zwar konkret — dieser Wille fehlt ihm völlig. Die Auseinandersetzung mit den von ihm abgelehnten Medien ist für ihn keine Option.
Diese Auseinandersetzung ist jedoch ein wichtiger Faktor: Wie kann ich mich zur Qualität der Bild-Zeitung äussern, wenn ich in dieses Blatt seit Jahren nicht mehr hineingeschaut habe? Wie kann Kurt die Qualität der Nachrichten in der ARD beurteilen, wenn er — laut eigener Aussage — diese seit Jahren nicht anschaut?
Die Folgen dieses Dilemmas können Überwindung kosten: Ich muss nicht nur manchmal in die Bild hineinschauen, sondern mich ab und zu auf die Webseiten der AfD trauen oder Druckwerke von ihnen lesen, wenn ich zu dem Blatt oder der Partei eine halbwegs fundierte Meinung haben will.
Das ist kein einfaches Unterfangen: Wann soll ich das alles erledigen? Ich bin wieder beim Punkt des Zeitaufwands.
Ja, wir benötigen Zeit, um uns eine Meinung zu bilden. Unsere Welt entwickelt sich jedoch in eine andere Richtung: Zeit nehmen wir uns kaum noch für eine Sache. Die Zeit ist zu wichtig, um viel davon in Sachverhalte zu investieren, die nicht zu unseren Kernanliegen gehören.
Mitreden wollen die meisten trotzdem — die Kommentare in den sozialen Medien liefern dafür Belege ohne Ende. Viele dieser Kommentare beruhen auf „irgendwelchen“ Quellen, beruhen auf Hörensagen oder Schmutzkampagnen.
Vielen Menschen reicht eine oberflächliche Beschäftigung mit einem Thema offenbar, um sich als Expertin zu fühlen und etwas zur Sache kundzutun. Zweifel an der „eigenen“ Position sind selten wie Schmetterlinge im Winter.
Die Kommentare sprechen dann ihre eigene Sprache: Sie sind zwar meist nicht richtig — aber kurz. Deshalb werden sie gelesen und verstärken die falsche Aussage noch.
Immer weniger für immer mehr
Sie belegen nichts!
Wir haben uns gewöhnt an diese allgegenwärtige Verkürzung. Möglicherweise so sehr, dass viele es gar nicht mehr bemerken, wie sie durch kurze, unvollständige Aussagen manipuliert werden. Mit fallen als Beispiele spontan Trump, Pegida und die ErzählerInnen wirrer Verschwörungen ein:
- Die Mär von Trumps Wahlsieg — nicht einen belastbaren Beleg habe ich von ihm dazu gesehen. Millionen seiner AnhängerInnen glauben diessen Unsinn trotzdem.
- Pegida & Co. brüllen erregt „Lügenpresse“. Details? Fehlanzeige. Lautstärke ersetzt Belege.
- VerschwörungserzählerInnen beschweren sich, dass über dieses und jenes Thema nicht berichtet wird. Genauere Hinweise fehlen fast immer. Meist reicht bereits eine kurze Recherche, um das Gegenteil zu belegen: Es wurde in aller Regel berichtet.
All diesen Zeitgenossen ist eines gemein: Sie wagen nicht, sich auch nur ansatzweise auf eine Auseinandersetzung zu dem dem jeweiligen Thema einzulassen. Sie meinen, dass ihre hingeworfenen „Informationshäppchen“ ausreichen, um andere zu überzeugen. Und viel zu oft gelingt ihnen das offenbar sogar.
Das, was diese Protagonisten den klassischen Medien vorwerfen, das praktizieren sie selbst auf schamlose Weise. Sie berichten nicht. Sie bauen sich statt dessen eine „Wahrheit“, die keine Belege kennt.
Mangelt es uns denn an ausreichenden Informationen? Gibt es denn weitgehend nur noch diese „Informationshäppchen“ mit geringem Nährwert? Nein, es ist kein Mangel erkennbar.
Das Gegenteil ist der Fall: Noch nie in der Geschichte standen uns so viele Informationen zur Verfügung wie heute. Das Problem ist ein anderes: Anstatt eines Mangels (er)leben wir eine Verweigerung.
Wir verweigern uns, Zeit angemessen für Themen einzusetzen, die uns wichtig sind. Die Flut der Themen und Berichte macht es naturgemäss schwierig für uns, uns auf ein Thema zu konzentrieren. Wir konsumieren die Häppchen — und bedauerlich viele Medien überbieten sich darin, diese Schmalkost schnell verdaulich für uns aufzubereiten.
Offenbar ist bei vielen Medien die Ansicht eingezogen, dass Information heute vor allem schnell gehen muss. Die Logik dahinter: Nur so haben wir eine Chance, uns „halbwegs“ zu informieren, denn: Die Anzahl der möglichen Themen ist immens!
Diese Erkenntnis muss uns verzweifeln lassen. Wie können wir all dem folgen, noch dazu fundiert? Wie können wir uns eine belastbare Meinung zu den Zillionen Themen bilden, mit denen wir konfrontiert werden? Wie können wir der Sackgasse entfliehen, für immer mehr Informationen immer weniger Zeit aufwenden zu können oder wollen?
Es geht nicht, so scheint es. Und wir sind bereits mitten drin:
Die Endlos-Liste
Ein paar Beispiele
Wissen Sie beispielsweise, liebe LeserInnen, wie unser Rentensystem funktioniert? Ich meine nicht grundsätzlich, sondern im Detail? Nein? Das wundert mich nicht — ich weiss es ebenfalls nicht so genau.
Haben Sie eine Idee, was mit dem Papiermüll passiert, den wir sammeln? Auch hier meine ich: im Detail. Haben Sie zu dieser Frage etwa ebenfalls keine Antwort parat, sondern eher so wie ich eine — Ahnung?
Oder ganz einfach: Wissen Sie, ob im Hartz-IV-Satz ein Feierabendbier für den Freitagabend vorgesehen ist? Ich ahne, dass die Chancen gut stehen, dass nicht nur ich das nicht weiss.
Und Sie ahnen vermutlich auch etwas: Diese Liste ist potentiell endlos.
Die tatsächliche Frage hinter all dem lautet: Können wir das alles wissen? Vielleicht auch: Wollen wir das überhaupt wissen?
Interessiert doch gar nicht!
Nun könnten Sie zu Recht sagen, dass Sie diese Themen nicht interessieren — und deshalb die Nicht-Auseinandersetzung damit kein Makel ist. Ein gutes Argument. Aber ich bin sicher, sie werden mit Leichtigkeit drei andere Themen finden, die Sie grundsätzlich interessieren und zu denen Ihre Informationsbasis ähnlich dünn ist wie meine bei den drei willkürlichen Beispielen, die ich Ihnen vorgesetzt habe.
Wir müssen offenbar hinnehmen, dass — selbst wenn wir wollten — wir nicht in der Lage wären, all diese Themen so zu verstehen, dass wir eine sichere Informationsgrundlage haben. Es sei denn, wir greifen die kurzen Medienhäppchen auf und vertrauen ihnen. Das ist aber — bis hinein in die sogenannten Qualitätsmedien — keine gute Methode, wie die oben herangezogenen Beispiele zeigen.
Sich Zeit zu nehmen für ein Thema kann durch nichts ersetzt werden, wenn man es verstehen und mitreden will. Und aus diesem Grund sind die Artikel in Qualitätsmedien vielfach lang — denn anders geht es nicht.
War es früher besser?
Eines ist sicher: Die Anzahl der Informationen war früher weit geringer. Die verfügbaren Informationen waren zudem weniger präsent als heute. Der Weg in einen Bibliothek zur Recherche — daran kann ich mich noch erinnern. Die Informationen mussten damals mühselig erarbeitet werden.
War es früher also besser? Stellen Sie sich eine Zeit vor, in der die Wochenzeitschrift mit schwarzen Lettern auf grobem Papier tatsächlich Lesestoff für eine Woche bot — und ausgiebig eine Woche lang gelesen wurde? Ohne die ständig bimmelnde, bunte Konkurrenz des aufpolierten, minütlichen Gewitters der Online-Nachrichten auf den Smartphones, die im schlimmsten Fall mit von Google-Algorithmen ausgewählten, dummerhaftigsten Werbungen unterbrochen werden?
Ja, ich weiss, ich öffne ein neues Fass. Mein Zeitungs-Szenario im letzten Absatz wird nicht nur für mich viel mehr Lebensqualität enthalten — aber es hätte vielleicht auch den über Smartphones organisierten Arabischen Frühling unmöglich gemacht.
Den Bogen schliessen
Damaskus ist weit weg
Ich las also an jenem Wochenende im Februar 2014 den Bericht über das Leben in Damaskus. Ich nahm mir die Zeit. Es war keiner jener erwartbaren Betroffenheitsberichte. Es war eine kleine — nicht kurze! — Alltagsgeschichte, die der syrische Schriftsteller Khaled Khalifa aufgeschrieben hatte.
Dass dieser Bericht hätte Folgen haben müsste, das halte ich für zwingend. Eine solche dramatische Beschreibung der Lebensumstände in Damaskus kommentarlos hinzunehmen, das ist einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig. Gerade unsere westlichen Zivilisationen — also wir, konkret Sie und ich — halten sich für aufgeklärt. Warum verhalten wir uns dann aber so — belanglos?
Nähmen wir solche Berichte ernst, so müssten wir unsere Politik ändern. Das machen wir jedoch nicht. Es sind andere Interessen als das Leben der Menschen in Damaskus, die unser Leben bestimmen.
Für viele von uns sind diese anderen Interessen wirtschaftliche. Denkt man etwas grösser, dann sind es geopolitische, sicherheitspolitische und vermutlich weitere, die ich nicht verstehe. Warum also sollten wir uns mit dem Schicksal Khaled Khalifas und den Syrern beschäftigen? Wir haben wahrlich genug eigene Probleme vor der Haustür!
Was viele nicht wahrhaben wollen: Ganz konkret hat manches, was Khaled Khalifa beschreibt, seinen Ursprung auch in unserer Gesellschaft.
Der „Wirtschaftszweig“ der Waffenproduktion gehört ebenso dazu wie der Export von Kriegsgerät. Unsere Gesellschaft schafft es nicht, hierzu ein Zeichen zu setzen, sich neu zu besinnen und beispielsweise deutsche Waffenexporte einzustellen.
Der Klimawandel — in starkem Masse befeuert durch unsere westliche Lebensweise — hat seinen Anteil am Arabischen Frühling. Genervt augenrollende Zweifler können das sogar bei der hinsichtlich dieses Themas völlig unverdächtigen CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung nachlesen.4
Die Auslöser des Elends, der Krieg und das „Leben“ in Syrien sind für uns heute allerdings in den Hintergrund getreten. Ich vermute nicht, dass die Situation dort seit 2014 besser geworden ist für die meisten Menschen.
Wir wissen heute nicht mehr, wie es den Menschen in Syrien geht. Wir sind zu sehr mit uns selbst beschäftigt — und das zum Teil sicher mit einer gewissen Berechtigung in Zeiten der Corona-Pandemie, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses Artikels unser Leben bestimmte.
Allerdings: Denken wir — von mir aus auch nur kurz — darüber nach, was unsere Sorgen um die Öffnung von Friseurgeschäften, Fitnessstudios und Restaurants im Februar 2021 bedeuten, wenn wir sie einem Bericht über das Leben im Damaskus gegenüber stellen, einer Stadt, in der seit vielen Jahren Krieg geführt wird.
Zynisch könnte man behaupten, dass die Pandemie des Jahres 2020 uns auch die Chance gibt, uns selbst zu bedauern, anstatt unsere Verantwortung für das Leid in anderen Regionen anzuerkennen.
Vielleicht hilft unserem Seelenheil tatsächlich nur, Khaled Khalifas Bericht als erfunden einzustufen — oder ihn gleich ganz zu ignorieren?
„Lügenpresse“ zu brüllen, eine geheime Macht im Hintergrund zu beschuldigen, für unser angebliches Elend verantwortlich zu sein, all das sind Ausflüchte, um unsere Verantwortung — und unser Versagen! — nicht zugeben zu müssen.
Unsere vergleichsweise komfortable Situation als schweres Leid darzustellen, entbindet so manche von der Verantwortung, die durch unseren Lebensstil entsteht. Unsere Ignoranz gegenüber dem, was unser Wohlstand für Menschen in anderen Regionen der Erde auslöst, ist weit verbreitet. Diese Ignoranz ist erbärmlich.
Khaled Khalifas Bericht hätte einen Donnerhall in unserer Gesellschaft auslösen müssen — andere Berichte über Syrien, über andere Kriegsgebiete und über Menschenrechtsverletzungen ebenso. Aber das ist nicht der Fall. Wir sind nicht besonders interessiert.
Was tun? Falsche Frage!
Wie können wir das ändern? Wollen wir das überhaupt ändern? Und wenn ja: Wie packen wir das an?
Ich fürchte, wir müssen uns keine Gedanken über das „Wie“ machen, denn: Unsere Gesellschaft scheint mir grundsätzlich nicht bereit zu sein. Wir wollen uns nicht mit den Problemen anderer Menschen in anderen Ländern beschäftigen. Ein paar Nachrichten — naja, es ist gut, wenn man in etwa weiss, wie es woanders zugeht. Aber Konsequenzen ziehen? Nein, bitte nicht!
Wir sind mit uns selbst beschäftigt. Uns als Gesellschaft kümmern weder das existentielle Leid anderer noch unsere Verantwortung dafür. Das ist eine bittere, aber keine neue Erkenntnis.
Khaled Khalifas Bericht aus Damaskus war vergebens.
Quellen
1 Der Text von Khaled Khalifa erschien online unter diesen Links:
- https://taz.de/Schriftsteller-in-Syrien/!5049575/ (verkürzte Fassung unter dem Titel „Unser Lachen passt zum Krieg“)
- https://faustkultur.de/1587–0‑Khaled-Khalifa-Jeder-Blick-ein-Abschied.html (kompletter Text unter dem Titel „Jeder Blick ein Abschied“)
2 Betz, Ruth (2004): Gesprochensprachliche Elemente in deutschen Zeitungen, Würzburg
Da ich die Bildzeitung äusserst selten lese, war es mir wichtig, für meine Einschätzung eine Quelle nennen.
3 Der Journalist Claas-Hendrik Relotius verfasste für den Spiegel Artikel, die gefälscht waren. Details dazu sind auf Wikipedia nachzulesen.
4 Anne Müthing: Klimawandel und der Arabische Frühling, Eine Diskussion mit Tom Friedman und Anne-Marie Slaugther beim Center for American Progress, in: Think Tank Update, Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. (Hrsg), Februar 2013
Bildnachweis
alle Fotos: Frank Jermann
Screenshots: von Websites der jeweiligen Medien erstellt
Warum dieses Thema?
Nun, tatsächlich sind es mehrere Themen:
Zuerst einmal hat mein Damaskus-Aufenthalt bei mir bis heute Spuren hinterlassen. Meine Erinnerungen an diese Stadt sind immer noch sehr präsent.
Unter diesem Aspekt hat mich der Artikel Khaled Khalifas angerührt. Was er beschreibt, das geht mir unter die Haut, denn es steht in direktem Zusammenhang mit meinen Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe. Ich traf hier bei uns auf syrische Familien, die Schreckliches durchgemacht hatten — und erlebte gleichzeitig den Hass in unserer Gesellschaft auf diese Menschen. Auch in unserer Gemeinde, teils toleriert von unseren lokalen PolitikerInnen.
Heute, im Februar 2021, ist kaum noch Raum für eine Berichterstattung über das Schicksal der Menschen in Syrien. Damaskus, Aleppo, Homs — all das ist weit weggerückt. Wir haben heute andere Themen.
Dann beschäftigt mich der Trend zu kurzen Informationshappen. Diese weit verbreiteten Verkürzungen bedeuten, dass manches nicht mehr wahr genommen wird. Der Krieg in Syrien gehört dazu.
Können wir das ändern? Ich meine: Ja. wir könnten das ändern. Es liegt auch an unserem Verhalten im Umgang mit den Medien, wie wir unsere Welt wahrnehmen und erkennen.
Letztlich beschäftigt mich die Gruppe der Verschwörungserzähler, der Coronaleugner, der Lügenpresse-Rufer, die sich weitgehend abgekoppelt hat von unserer klassischen Informationslandschaft — und Rattenfängern auf den Leim geht. Was manche in diesem Zusammenhang als tiefes Misstrauen bezeichnen, das stufe ich als oberflächliche und weitgehend unbegründete Verweigerung ein.
Auch in meinem Bekanntenkreis gibt es Menschen, die von einer grossen Verschwörung überzeugt sind, von einer totalen Kontrolle der Regierung über die Medien. Diese Menschen sind mir ein Rätsel — und werden mir immer fremder.
Vorgebrachte Gegenbeispiele werden nicht geglaubt. Auf Nachfrage, wann denn zuletzt das verachtete Medium [setzen Sie hier eine beliebige Tageszeitung oder einen Rundfunksendern ein] benutzt wurde, kommt ein Schulterzucken.
Glauben wir diesen Leugnern, dann hat wohl auch Khaled Khalifa seinen Bericht aus Damaskus frei erfunden.
Frank Jermann
0 Kommentare